Strikte Ethik-Massnahmen zum Schutz der Athletinnen und Athleten

16.11.2021

Swiss Olympic und das Bundesamt für Sport BASPO haben ein Massnahmenpaket erarbeitet, mit dem insbesondere minderjährige Athletinnen und Athleten besser geschützt werden sollen. Ethische Grundsätze werden tiefer im Schweizer Sportsystem verankert und auf eine rechtsverbindliche Basis gestellt. Die heute in Anwesenheit von Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd vorgestellten Massnahmen stützen die verschiedenen Schritte, die Swiss Olympic in den vergangenen Monaten beschlossen und zum Teil bereits umgesetzt hat.

Im Auftrag von Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd hat die Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni Rechtsanwälte AG in den vergangenen Monaten eine Untersuchung durchgeführt zu möglichen Missständen in technisch-kompositorischen Sportarten. Auslöser der Untersuchung waren Medienberichte im Sommer und Herbst 2020 in denen ehemalige Kaderathletinnen der Rhythmischen Gymnastik und des Kunstturnens von Einschüchterungen, Erniedrigungen und Misshandlungen am Nationalen Leistungszentrum des Schweizerischen Turnverbandes in Magglingen erzählten.

Der nun vorliegende Untersuchungsbericht, schlägt Massnahmen und Instrumente vor, wie Ethikverstösse im Schweizer Sport möglichst verhindert werden können. Obwohl der Bericht festhält, dass die Verantwortlichen im Schweizer Sport grossmehrheitlich sehr gute Arbeit leisten, sind die Strukturen gemäss Bericht in Bezug auf die Durchsetzung ethischer Grundsätze ungenügend.

Diese Erkenntnis und weitere Empfehlungen im Bericht teilt Swiss Olympic, wie Präsident Jürg Stahl heute an einer gemeinsamen Medienkonferenz mit Bundesrätin Amherd und Matthias Remund, Direktor des Bundesamts für Sport BASPO, sagte. Gemeinsam mit dem BASPO hat Swiss Olympic verschiedene Massnahmen beschlossen oder bereits umgesetzt, die dafür sorgen sollen, dass ethische Grundsätze konsequent eingehalten werden.

Ethik-Verstösse können künftig sanktioniert werden
Aktuell steht die Schaffung von rechtlichen Grundlagen zur Durchsetzung des Ethikreglements im Fokus. Ein von Swiss Olympic gemeinsam mit den Verbänden und dem BASPO entwickeltes, neues Ethik-Statut hält fest, welche Verhaltensweisen im Sport nicht toleriert werden. Das Statut hat auch den Charakter eines Disziplinarreglements, somit können Verstösse künftig sanktioniert werden. Über die Annahme des Ethik-Statuts wird das Sportparlament am 26. November abstimmen.

Das Sportparlament wird damit auch über die Inbetriebnahme der unabhängigen Melde- und Untersuchungsstelle für Ethik-Vorfälle im Schweizer Sport, «Swiss Sport Integrity», entscheiden. Deren Lancierung per 1. Januar 2022 zählt für Swiss Olympic und das BASPO ebenfalls zu den zentralen Massnahmen, die nach Auswertung des Untersuchungsberichts rasch umzusetzen sind. Schon 2019 hatte Swiss Olympic erkannt, dass das bestehende System, wonach jeder Verband eine eigene Meldestelle für Ethikvorfälle betreibt, nicht wunschgemäss funktioniert. Daraufhin wurden drei Gutachten erstellt, die alle aufzeigten, dass eine verbandsübergreifende, unabhängige Melde- und Untersuchungsstelle den Athletinnen und Athleten die grösste Sicherheit gibt, allfällige Missstände zu melden.

Schweizer Sport kann Vorreiterrolle übernehmen
Diese Vorarbeit trug massgeblich dazu bei, dass Swiss Olympic nach Veröffentlichung der Medienberichte im vergangenen Jahr schon am 1. Januar 2021 die Anlauf- und Erstberatungsstelle «Integrity» als Sofortmassnahme lancieren konnte. «Swiss Sport Integrity», welche «Integrity» auf Anfang 2022, die Zustimmung durch das Sportparlament vorausgesetzt, als Meldestelle ablöst, wird aus der unabhängigen und anerkannten Stiftung Antidoping Schweiz hevorgehen. Die Stiftung kann künftig potenzielle Ethik – und Dopingverstösse behandeln und der unabhängigen Disziplinarkammer des Schweizer Sports zur Beurteilung und Sanktionierung vorlegen. Der Schweizer Sport wird mit der Einführung von «Swiss Sport Integrity» und ihren weitreichenden Kompetenzen weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen.

Stärkeres Gewicht für die Stimmen der Athletinnen und Athleten
Weitere Sofortmassnahmen von Swiss Olympic nach Veröffentlichung der Medienberichte beinhalteten eine Befragung aller Inhaberinnen und Inhabern einer Swiss Olympic Card (mit Ausnahme der von Rudin Cantieni Rechtsanwälte AG befragten Athletinnen und Athleten aus den Sportarten Rhythmische Gymnastik, Kunstturnen, Trampolin, Wasserspringen und Synchronschwimmen) betreffend ihre Erfahrungen im Umgang mit Ethik im Sport. Weiter lancierte der Dachverband des Schweizer Sports zusammen mit den Verbänden vor Kurzem die Sensibilisierungskampagne «Are you ok?». Mit dieser soll zum Hinhören (bei sich selbst), Hinschauen (bei anderen) und Handeln im Sport ermutigt werden.

«Swiss Olympic ist überzeugt: Die Berichte der Athletinnen in den Medien und die Ergebnisse der in der Folge durchgeführten Untersuchungen müssen zu einer stärkeren Gewichtung von Ethik-Themen im Schweizer Sport und einer entsprechenden Sensibilisierung führen. Mit den bereits eingeleiteten und den nun beschlossenen Massnahmen wollen wir sicherstellen, dass ethische Grundsätze konsequent durchgesetzt werden», sagte Jürg Stahl. So wird Swiss Olympic unter anderem prüfen, ob auch die Überarbeitung der Einstufungsrichtlinien dazu einen Beitrag leisten kann.

Die neue Strategie von Swiss Olympic ab 2022 sieht auch vor, dass die Stimme der Athletinnen und Athleten gegenüber den Verbänden ein stärkeres Gewicht erhält. Etwa indem jeder Verband mit Sportförderkonzept eine Athlet*innenkommission besitzen muss, die gegenüber dem strategischen Führungsgremium antragsberechtigt ist.

Kompetenzen der Akteure im Sport fördern
Ein von Swiss Olympic und dem BASPO erarbeitetes Aus- und Weiterbildungsprogramm, das sich an das Umfeld der Athletinnen und Athleten wendet, soll ebenfalls zum präventiven Handeln ermächtigen, informieren und sensibilisieren. «Die zigtausenden, oft freiwillig engagierten Trainerinnen und Trainer, Funktionärinnen und Funktionäre in den rund 19'000 Sportvereinen in der Schweiz leisten mit ihrem grossen und in den allermeisten Fällen tadellosen Engagement einen enorm wichtigen und unbezahlbaren Beitrag für das Schweizer Sportsystem. Sie sorgen dafür, dass sich die Bevölkerung in unserem Land, von jung bis alt, bewegt. Und sie wollen wir ebenfalls stärken in ihren Rollen», sagte Jürg Stahl.

Den Eltern und Erziehungsberechtigten soll bis Ende 2022 ein «Werkzeugkasten» zur Verfügung stehen, der es ihnen ermöglicht, die Karriere von jungen Spitzensportlerinnen und Spitzensportler adäquat zu begleiten. Dies im Sinne einer Erweiterung des «Rahmenkonzepts zur Sport- und Athlet*innenentwicklung FTEM Schweiz», das Swiss Olympic und das BASPO gemeinsam entwickelt haben.

Schliesslich will Swiss Olympic mit regelmässigen Befragungen von Athletinnen, Athleten, ihren Eltern und Trainerinnen und Trainern und mit weiteren Massnahmen den Kinderschutz und die Aufsichtstätigkeit noch stärker wahrnehmen. Hindernisse sollen abgebaut werden, damit die beabsichtigte Wirkung der von Swiss Olympic und BASPO beschlossenen Massnahmen sichergestellt werden kann.