Im folgenden Interview teilt Rita Albrecht-Zander, Fachexpertin Inklusion, ihre Erfahrungen und Einsichten aus zwei Jahren Arbeit in der Fachstelle Inklusion. Sie erzählt, wie Inklusion im Sport gelebt werden kann, welche Erfolge bereits erzielt wurden und welche Herausforderungen noch bestehen.
Fachstelle Inklusion
Die Fachstelle Inklusion in der Abteilung Sport begleitet und berät die Mitgliedsverbände und Kantone im Thema Inklusion und motiviert sie dazu, die Umsetzung der Inklusion im Rahmen ihrer Strukturen anzugehen – sowohl im Breiten- wie auch im Leistungssport.

Rita, vor fast zwei Jahren hast du als Expertin in der neu geschaffenen Fachstelle «Inklusion» bei Swiss Olympic angefangen. Wie blickst du auf diese Zeit zurück? Welche Meilensteine und Herausforderungen haben dich besonders geprägt?
Ich blicke dankbar und stolz zurück auf zwei intensive Jahre. Mit der Erkenntnis, dass die bei Swiss Olympic geschaffene Fachstelle elementar ist für eine ganzheitliche Entwicklung der Inklusion im Sportsystem Schweiz. Unser Lead auf strategischer Ebene hat den grossen Vorteil der neutralen Begleitung unserer Mitglieder in diesem sehr komplexen Feld des Sports für Menschen mit Behinderung. In der Koordination mit Verbänden, der beteiligten Sport-Organisationen für Menschen mit Behinderung (MmB) und Sportämtern der Kantone konnten wir wichtige Fortschritte erzielen. Wichtig ist, die Inklusion als eine Haltung und als ein Prozess zu verstehen. Es geht darum, das Gemeinsame zu stärken und Mehrwerte für alle Beteiligten zu schaffen.
Ein Meilenstein ist das hohe Interesse der Verbände. In Anbetracht sehr knapper Ressourcen unserer Mitglieder und der hohen Arbeitsbelastung ist dieses “zusätzliche” Engagement umso wertvoller einzustufen. Hier helfen den Verbänden einerseits die gesprochen Gelder der Kantone, andererseits meine neutrale Rolle und die teilweise sehr intensive Begleitung über Swiss Olympic. Dies animiert viele Verbände, sich an die für sie bisher sehr komplexe Materie Inklusion zu wagen. Bis Juni 2025 wurden 21 Anträge von 18 Verbänden bewilligt, sechs weitere sind in Prüfung. Weitere Meilensteine sind der gezielte Netzwerkaufbau, das Heranführen interessierter Funktionsträger*innen an die Thematik, die neue -Informationsplattform Inklusion auf der SOA-Website, erste Massnahmen zur digitalen Barrierefreiheit sowie persönliche Austauschgefässe wie das erstes ERFA-Meeting Inklusion mit über 50 Teilnehmenden aus Verbänden und Kantonen zur Förderung von Synergien und gegenseitigem Lernen.
Die grösste Herausforderung ist das komplexe System an Sport-Organisationen für MmB mit seinen vielen Ebenen und Akteur*innen. Es braucht Zeit, um die Strukturen zu verstehen, Unsicherheiten zu adressieren sowie gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und neue Kommunikations- und Umsetzungswege aufzubauen.
Warum ist das Thema «Inklusion im Sport» aus deiner Sicht so wichtig – für den Sport selbst und für die Gesellschaft insgesamt?
Sport verbindet Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Einschränkungen und vermittelt zentrale Werte wie Fairness, Respekt und Teamgeist. Im und mit Sport gelingt es vielfach, inklusive Herausforderungen auf spielerische Art zu meistern. Durch die gemeinsame Freude an Bewegung und das Miteinander rücken Unterschiede in den Hintergrund.
Dem Sport obliegt eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Er hat Vorbildfunktion, vereint Menschen, baut Barrieren ab, fördert Gesundheit, Zughörigkeit, gegenseitiges Verständnis und Zusammenhalt. So trägt er Schritt für Schritt zu einer inklusiveren Gesellschaft bei.
Swiss Olympic bietet verschiedene Förderangebote im Bereich Inklusion an. Wie profitieren Verbände konkret davon, und welche Erfolge zeigen sich bisher?
Swiss Olympic unterstützt die Verbände mit drei gezielten Förderpaketen: Förderung 1 und 2 umfassen finanzielle Mittel für inklusive Projekte und für Sport-Grossanlässe mit Inklusionscharakter. Die Verbände nutzen diese Mittel für nachhaltige Massnahmen in Aus- und Weiterbildung, Kommunikation und der Entwicklung inklusiver Angebote. Dabei unterstützen die Sport-Organisationen für MmB die Verbände, um interne Kompetenzen aufzubauen. Grosse Anlässe, die in den kommenden Jahren in der Schweiz stattfinden, bieten zudem Chancen, die Inklusions-Legacy national und international zu stärken.
Förderung 3 ermöglicht zehn grossen Verbänden, die Mittel zudem für den strukturellen Aufbau - in Form von Projektleitungen Inklusion - einzusetzen. Als zentrale Ansprechperson für Inklusion im Verband fungieren sie als Schnittstelle top down in ihren regionalen und lokalen Strukturen, sowie bottom up zur SOA-Fachstelle Inklusion, zu den Sport-Organisationen für MmB und Projektleitungen Inklusion anderer Verbände. Wenn Verbände Menschen mit Behinderung in den Inklusions-Teams und -Leitungen einbinden können, so lernen sie gegenseitig von den jeweiligen Erfahrungen und Bedürfnissen. Ein weiterer wichtiger Hebel ist die Zusammenarbeit mit den Kantonen. Gemeinsam mit den Sportämtern werden regionale und lokale Ansätze zur nachhaltigen Umsetzung entwickelt.
Erste Erfolge der Inklusionsförderung zeigen sich bereits: Swiss Tennis thematisierte Inklusion am Tennis Forum 2025, viele Verbände waren an der Swiss Ability der Messe Luzern präsent, Swiss Athletics lancierte die Kampagne «Together on Track», der Schweizerische Handball-Verband setzt seit April 2025 ein inklusives Medienteam ein und plant inklusive Workshops zum Einbinden weiterer interessierter Vereine in die TogetherLeague, der Hängegleiter-Verband ermöglicht das selbstständige Gleitschirmfliegen im Rollstuhl und Swiss Rowing integriert den kantonalen Koordinator Sport und Inklusion im Projektteam des Grossevents LUCERNE Regatta. Diese Beispiele zeigen, was möglich ist. Wichtig ist, dass wir mutig sind und mit offenem Mindset anfangen bzw. bereits Bestehendes weiterentwickelnass wir miteinander reden, voneinander lernen und uns kontinuierlich verbessern.
Welche langfristigen Ziele verfolgt Swiss Olympic mit dem Projekt «Inklusion im Sport»?
Wir wollen den Schweizer Sport als Ganzes inklusiv gestalten. Das bedeutet, dass Verbände und alle Akteur*innen eine inklusive Haltung vorleben und ihre Strukturen und Prozesse entsprechend ausrichten. Das Haltungspapier von SOA und BASPO sowie das der KKS geben hierfür wichtige Impulse. Langfristig soll Inklusion gemeinsam dem BASPO und der KKS nachhaltig in der Sportlandschaft verankert werden. Ziel ist, dass Verbände und Vereine für alle Menschen ein breites Angebot vor Ort bereitstellen, damit alle mitmachen können im gewünschten Setting und unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen.
Welche Bedeutung haben Verbände und Vereine bei der Umsetzung inklusiver Strukturen, und wo siehst du noch ungenutztes Potenzial?
Verbände und Vereine sind zentrale Akteur*innen: Verbände koordinieren, Vereine setzen an der Basis um. Eine enge Abstimmung und klare Kommunikation zwischen diesen Ebenen sind entscheidend. Die hohe Inklusions-Affinität der oftmals ehrenamtlich Engagierten sowie das Einbeziehen der Möglichkeiten über die Kantone sind zudem zentrale Erfolgsfaktoren.
Noch nicht ausgeschöpft ist das Potenzial, Wissen besser zu teilen und Synergien zu nutzen. Häufig fehlt den Verbänden der Überblick überbestehende Angebote oder es werden Parallelsysteme entwickelt. Die gegenseitige Akzeptanz im Bereich der Sport-Organisationen für MmB, der proaktive Umgang des sich derzeit verändernden Sportsystems und die Zusammenarbeit unter den Verbänden möchte ich weiterentwickeln. Wenn persönliche Interessen in den Hintergrund rücken und wir gemeinsam handeln, wird Inklusion langfristig zur Selbstverständlichkeit.